Der unsichtbare Schutzschild und die Versprechen der Zahnpasten

Der unsichtbare Schutzschild und die Versprechen der Zahnpasten

| 5.2.2025 |

Der Zahnschmelz, die härteste Substanz des menschlichen Körpers, bildet die äußere Schutzschicht unserer Zähne. Er bewahrt das darunterliegende, empfindlichere Dentin vor den täglichen Angriffen durch Säuren, mechanische Belastungen und Temperaturschwankungen. Trotz seiner bemerkenswerten Härte ist der Zahnschmelz anfällig für Erosion und Demineralisierung, Prozesse, die zu Karies und Hypersensibilität führen können. Angesichts dieser Vulnerabilität rückt die Frage nach effektiven Strategien zur Zahnschmelzreparatur und -regeneration zunehmend in den Fokus der zahnmedizinischen Forschung und der Verbraucher. Insbesondere Zahnpasten, die eine „Reparatur“ des Zahnschmelzes versprechen, sind auf dem Markt weit verbreitet.

Die Wissenschaft hinter der Zahnschmelz-Reparatur

Der Zahnschmelz besteht hauptsächlich aus Hydroxylapatit, einem kristallinen Calciumphosphat. Demineralisierung, der Verlust von Mineralien aus dem Zahnschmelz, ist ein kontinuierlicher Prozess, der durch Säuren aus Nahrungsmitteln und bakteriellen Stoffwechselprodukten verursacht wird. Die natürliche Remineralisierung, bei der Mineralien aus dem Speichel in den Zahnschmelz eingelagert werden, kann diesen Prozess bis zu einem gewissen Grad entgegenwirken. Die zahnmedizinische Forschung konzentriert sich darauf, diese natürlichen Reparaturmechanismen zu unterstützen oder zu verstärken.

Fluorid: Der etablierte Standard

Fluorid ist seit Jahrzehnten der Goldstandard in der Kariesprophylaxe und Zahnschmelzremineralisierung. Es wirkt, indem es die Löslichkeit des Zahnschmelzes gegenüber Säuren reduziert und die Wiedereinlagerung von Mineralien fördert. Wenn Fluoridionen im Mund vorhanden sind, können sie in die Hydroxylapatitkristalle des Zahnschmelzes eingebaut werden, wodurch Fluorapatit entsteht. Fluorapatit ist chemisch stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Säureangriffen als Hydroxylapatit. Aktuelle Studien und Metaanalysen bestätigen weiterhin die überlegene Wirksamkeit von Fluorid in der Remineralisierung von Initialkariesläsionen, insbesondere bei White Spot Läsionen 1. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2025 hebt hervor, dass fluoridhaltige Mittel effektiver sind als nicht-fluoridhaltige Mittel bei der Remineralisierung künstlich induzierter White Spot Läsionen 1. Die Konzentration und die Art der Fluoridverbindung in Zahnpasten spielen dabei eine entscheidende Rolle für die Effektivität 3.

Hydroxylapatit: Der biomimetische Ansatz

In den letzten Jahren hat Hydroxylapatit (HAp) als alternativer oder ergänzender Wirkstoff in Zahnpasten an Bedeutung gewonnen. Da Hydroxylapatit der Hauptbestandteil des natürlichen Zahnschmelzes ist, wird es als biomimetisches Material betrachtet, das in der Lage sein soll, sich direkt in die Zahnschmelzstruktur zu integrieren und Defekte zu füllen. Studien zeigen, dass Hydroxylapatit-Partikel, insbesondere in nanokristalliner Form (nano-HAp), in der Lage sind, sich an die Zahnoberfläche anzulagern und mikroskopisch kleine Defekte im Zahnschmelz zu verschließen 4. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass nano-HAp-Zahnpasten eine vergleichbare Remineralisierungswirkung wie fluoridhaltige Zahnpasten aufweisen können, insbesondere bei der Behandlung von Initialkaries und der Reduzierung von Dentinhypersensibilität 5, 6. Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigte, dass Hydroxylapatit-Zahnpasten den Zahnschmelz und das Dentin remineralisieren und die Demineralisierung hemmen können 7.

Kontroversen und Limitationen

Trotz vielversprechender Ergebnisse gibt es weiterhin Diskussionen über die tatsächliche

Wirksamkeit von Hydroxylapatit im Vergleich zu Fluorid. Während einige Studien eine vergleichbare Effektivität feststellen, betonen andere, dass Fluorid nach wie vor die stärkere Evidenzbasis für die Kariesprävention und Remineralisierung besitzt 8. Insbesondere bei der Remineralisierung von White Spot Läsionen scheinen fluoridhaltige Mittel überlegen zu sein 1. Es ist wichtig zu beachten, dass viele Studien zu Hydroxylapatit in vitro oder ex vivo durchgeführt wurden, und weitere hochwertige klinische Studien (RCTs) erforderlich sind, um die Langzeitwirksamkeit und Überlegenheit gegenüber Fluorid in der klinischen Praxis eindeutig zu belegen. Zudem variieren die Partikelgröße und Konzentration von Hydroxylapatit in kommerziellen Produkten erheblich, was die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen erschwert 9.

Zahnpasten im Praxistest: Empfehlungen für die Anwendung

Die neuen Erkenntnisse zur Zahnschmelzremineralisierung haben direkte Auswirkungen auf die zahnärztliche Praxis. Eine präzise Diagnostik des Zahnschmelzzustands ist entscheidend. Frühstadien der Demineralisierung, wie White Spot Läsionen, können oft durch Remineralisierungstherapien ohne invasive Eingriffe behandelt werden. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass neben Fluorid auch Hydroxylapatit-haltige Produkte eine Rolle spielen könnten, insbesondere bei Patienten, die Fluorid ablehnen oder bei denen eine Fluoridüberdosierung (z.B. bei Kleinkindern) vermieden werden soll. Die Integration biomimetischer Ansätze in die Prophylaxe erfordert eine Anpassung der Beratung und Empfehlung in der Praxis. Es ist wichtig, Patienten über die unterschiedlichen Wirkmechanismen und die aktuelle Evidenzlage aufzuklären. Technologisch bieten neue Materialien wie Polyphosphat-Mikropartikel vielversprechende Ansätze zur Versiegelung von Rissen und Fissuren im Zahnschmelz und Dentin, was zukünftig die Prävention und Therapie erweitern könnte 10.

Die Zukunft des Zahnschmelzes

Die Forschung im Bereich der Zahnschmelzregeneration ist dynamisch und vielversprechend. Laufende Studien und neue Technologien könnten die Art und Weise, wie wir Zahnschmelz schützen und reparieren, grundlegend verändern.

Vielversprechende Forschungsansätze

Einige vielversprechende Forschungsansätze konzentrieren sich auf die Entwicklung von Materialien, die die natürliche Amelogenese (Zahnschmelzbildung) nachahmen oder stimulieren können. Dazu gehören peptidbasierte Technologien, die als Gerüst für die Mineralisation dienen, sowie neue biomimetische Keramik-Polymer-Komposite, die dem natürlichen Zahnschmelz in Struktur und Eigenschaften näherkommen 11, 12. Auch die Anwendung von Nanotechnologie zur gezielten Abgabe von Remineralisierungsagentien oder zur Schaffung von Schutzschichten auf molekularer Ebene wird intensiv erforscht 13.

Potenziale disruptiver Technologien

Disruptive Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) könnten in Zukunft eine Rolle bei der personalisierten Zahnpflege spielen, indem sie beispielsweise auf Basis von Patientendaten und genetischen Prädispositionen maßgeschneiderte Prophylaxestrategien entwickeln. Die Entwicklung von „intelligenten“ Zahnpasten, die auf den individuellen pH-Wert im Mund reagieren und gezielt Mineralien freisetzen, ist ebenfalls denkbar. Biomaterialien, die eine aktive Rolle bei der Regeneration von Zahngewebe spielen, könnten die Grenzen der konventionellen Zahnmedizin erweitern und zu minimalinvasiven Behandlungsansätzen führen.

Langfristige Perspektiven für die Praxis

Langfristig könnten diese Innovationen dazu führen, dass die Zahnschmelzreparatur nicht mehr nur auf die Remineralisierung beschränkt ist, sondern eine echte Regeneration des Zahnschmelzes ermöglicht wird. Dies würde nicht nur die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern, sondern auch die Notwendigkeit invasiver restaurativer Behandlungen reduzieren. Die Rolle des Zahnarztes würde sich von der reinen Reparatur hin zu einem stärker präventiven und regenerativen Ansatz verschieben, bei dem die Erhaltung der natürlichen Zahnsubstanz im Vordergrund steht.

Quellen
  1. Monjarás-Ávila, A. J., et al. (2025). Systematic Review and Meta-Analysis of Remineralizing Agents: Outcomes on White Spot Lesions. Bioengineering, 12(1), 93. [DOI: 10.3390/bioengineering12010093]
  2. Enax, J., & Epple, M. (2018). Hydroxylapatit als biomimetischer Wirkstoff für die Remineralisation von Zahnschmelz und Dentin. ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt, 129(06), 277-283. [DOI: 10.1055/a-1167-4888]
  3. Remineralisation of enamel erosive lesions by daily-use fluoride toothpastes: an in vitro study. Clinical Oral Investigations, 2024. [DOI: 10.1007/s00784-024-06107-1]
  4. Cocco, F., et al. (2025). Hydroxyapatite-Fluoride Toothpastes on Caries Activity: A Triple-Blind Randomized Clinical Trial. International Dental Journal, 75(2), 632-642. [DOI: 10.1016/j.identj.2024.09.037]
  5. Enax, J., Epple, M., & Amaechi, B. T. (2023). Caries-preventing effect of a hydroxyapatite-toothpaste in adults. Frontiers in Public Health, 11, 1199728. [DOI: 10.3389/fpubh.2023.1199728]
  6. Systematic Review and Meta-Analysis of Remineralizing Agents: Outcomes on White Spot Lesions. Bioengineering, 2025. [DOI: 10.3390/bioengineering12010093]
  7. Enax, J., & Epple, M. (2024). Hydroxyapatite as an active ingredient in oral care. ScienceDirect. [DOI: 10.1016/j.sdentj.2024.00003]
  8. Schröder, A., et al. (2024). Polyphosphat, das erste bioenergie liefernde Material für zahnmedizinische Anwendungen – ein Ausblick. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift, 79(5), 324-329. [DOI: 10.3238/dzz.2024.0324]
  9. Self-assembling peptide scaffolds promote enamel remineralization. Journal of Dental Research, 2007. [DOI: 10.1177/154405910708600403]
  10. Advances in biomimetic mineralization of tooth enamel based on ... MATEC Web of Conferences, 2022. [DOI: 10.1051/matecconf/202236501032]
  11. Next-Generation Strategies for Enamel Repair and Regeneration. Journal of Oral Biosciences, 2025. [DOI: 10.1007/s13770-025-00725-w]
  • Bin seit über 50 Jahren Patient. Von anderen Ärzten wurde Zustand der Zähne immer als vorbildlich bezeichnet (in meiner Zeit außerhalb Münchens).Nur zu empfehlen

    5 von 5 Sternen
  • Seit 10 Jahren bin ich In dieser Praxis gut aufgehoben. Man ist hier sehr genau, mutet einem aber keine überflüssigen (Luxus)Behandlungen zu. Die individuelle Zahnpflege wird genau überwacht und ggf. humorvoll korrigiert.

    5 von 5 Sternen
  • Schneller Termin, pünktlicher Behandlungsbeginn, keine unnötige Wartezeit im Patientenzimmer

    5 von 5 Sternen