Die demografische Entwicklung führt zu einer wachsenden Zahl älterer Menschen, deren zahnmedizinische Bedürfnisse sich wandeln. Mundgesundheit im Alter ist eng mit der allgemeinen Gesundheit, Lebensqualität und sozialen Teilhabe verbunden. Ein gesunder Mund ermöglicht adäquate Ernährung, unterstützt die Kommunikation und trägt maßgeblich zum Wohlbefinden bei. Daher ist es entscheidend, die spezifischen Herausforderungen und Chancen der Mundgesundheit im Alter zu verstehen und präventive sowie therapeutische Strategien zu entwickeln.
Die Wissenschaft spricht: Neue Einblicke in die Mundgesundheit im Alter
Jüngste Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Mundgesundheit für die Gesamtgesundheit älterer Menschen. Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6), veröffentlicht im März 2025, liefert umfassende Daten zur oralen Gesundheit in Deutschland. Sie bestätigt den Erfolg präventionsorientierter Maßnahmen, zeigt aber auch Handlungsbedarf bei Parodontitis bei Erwachsenen und Senioren. Bei jüngeren Senioren (65-74 Jahre) wurde in der DMS 6 eine hohe Prävalenz von Parodontitis im Stadium III (26,3 %) und IV (26,4 %) festgestellt. Die Studie hebt zudem den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und Allgemeinerkrankungen hervor.
Metaanalysen und systematische Reviews der letzten fünf Jahre präzisierten die bidirektionalen Beziehungen zwischen oraler Gesundheit und systemischen Erkrankungen. Ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen Zahnverlust und Gebrechlichkeit (Frailty) bei älteren Erwachsenen, wobei Personen mit 20 oder weniger Zähnen einem höheren Risiko ausgesetzt sind (Metaanalyse, Mai 2025). Auch die Verbindung zwischen oraler Gesundheit und kognitiver Funktion rückt in den Fokus. Eine systematische Übersichtsarbeit (April 2025) bestätigt, dass schlechte Mundgesundheit mit kognitivem Rückgang bei Demenzpatienten assoziiert ist. Diese Erkenntnisse untermauern die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes in der geriatrischen Zahnmedizin.
Die Studienlage zur Wirksamkeit von Mundhygienemaßnahmen in Langzeitpflegeeinrichtungen zeigt positive Ergebnisse. Metaanalysen zu Plaque-Reduktionen belegen die Effektivität oraler Pflegemaßnahmen, insbesondere bei Prothesen-Plaque (Januar 2025). Kontrovers diskutiert wird die Rolle von Mundspülungen; ein wissenschaftlicher Beleg für ihren langfristigen Nutzen in der Karies- und Parodontitisprävention im Vergleich zu mechanischer Reinigung ist noch nicht eindeutig erbracht (April 2025). Die kritische Bewertung der Studienlage erfordert stets eine genaue Betrachtung der Methodik und des Evidenzlevels. Dennoch zeichnet sich ein klares Bild ab: Mundgesundheit im Alter ist ein entscheidender Faktor für Lebensqualität und Prävention systemischer Erkrankungen.
Neue Wege in Diagnostik und Therapie
Die Forschungsergebnisse haben weitreichende Implikationen für die zahnärztliche Praxis. Die Fokussierung auf Karies und Parodontitis muss um eine ganzheitliche Perspektive erweitert werden. Dies beginnt bei der Diagnostik: Ein umfassendes geriatrisches Assessment, das oralen Status, allgemeinen Gesundheitszustand, Medikation, kognitive Fähigkeiten und soziale Situation erfasst, wird unerlässlich. Die Integration von Screening-Fragen zu systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in die Anamnese kann frühzeitig auf Risikofaktoren hinweisen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern.
Therapeutisch ergeben sich neue Schwerpunkte. Angesichts der hohen Parodontitisprävalenz im Alter ist eine konsequente, individualisierte Parodontitistherapie von größter Bedeutung. Dies beinhaltet professionelle Zahnreinigung, Wurzelglättung und Aufklärung der Patienten/Bezugspersonen über adäquate Mundhygiene, besonders bei eingeschränkter manueller Geschicklichkeit oder kognitiven Beeinträchtigungen. Die Versorgung mit Zahnersatz muss spezifische Bedürfnisse älterer Patienten berücksichtigen. Digitale Abformtechniken und 3D-Druckverfahren können zu präziseren und komfortableren Prothesen führen. Bei der Implantatversorgung im fortgeschrittenen Lebensalter sind neue Leitlinien (z.B. DGI, Januar 2025) zu beachten.
Die Prophylaxe im Alter gewinnt eine noch zentralere Rolle. Neben etablierten Maßnahmen wie Fluoridierung und professioneller Zahnreinigung liegt der Fokus auf der Prävention von Wurzelkaries, deren Prävalenz im Alter ansteigt (DMS 6). Auch die Beratung zur Mundtrockenheit, einem häufigen Problem im Alter (oft medikamentenbedingt), ist essenziell. Hier können Speichelersatzmittel, spezielle Mundpflegeprodukte und ausreichende Flüssigkeitszufuhr Linderung verschaffen. Wirtschaftliche Auswirkungen ergeben sich aus der Notwendigkeit, präventive Maßnahmen stärker zu vergüten und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Technologisch bieten digitale Lösungen wie Telezahnmedizin neue Möglichkeiten, den Zugang zur Versorgung für immobile Patienten zu verbessern. Organisatorisch erfordert dies eine Anpassung der Praxisabläufe und verstärkte Schulung des Praxisteams in geriatrischer Zahnmedizin.
Die Zukunft des Lächelns
Die Zukunft der geriatrischen Zahnmedizin ist vielversprechend, geprägt von technologischen Innovationen und einem vertieften Verständnis der Zusammenhänge zwischen oraler und systemischer Gesundheit. Laufende Studien konzentrieren sich auf personalisierte Präventionsstrategien, basierend auf individuellen Risikoprofilen. Dies beinhaltet die Erforschung von Biomarkern zur frühzeitigen Erkennung oraler Erkrankungen. Vielversprechende Forschungsansätze befassen sich zudem mit der Regeneration von Zahngewebe und Knochen.
Disruptive Technologien werden die zahnmedizinische Versorgung älterer Menschen maßgeblich verändern. Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Diagnostik zu optimieren, z.B. bei der Analyse von Röntgenbildern oder der Erkennung von Frühstadien oraler Läsionen. KI-gestützte Systeme könnten auch bei der Erstellung individualisierter Behandlungspläne helfen und die Effizienz in der Praxis steigern. Im Bereich der Biomaterialien sind Fortschritte zu erwarten, die zu biokompatibleren und langlebigeren Materialien für Restaurationen führen.
Langfristig wird die geriatrische Zahnmedizin stärker in ein interdisziplinäres Gesundheitsnetzwerk eingebunden sein. Die Zusammenarbeit mit Geriatern, Allgemeinmedizinern, Pflegepersonal und anderen Fachkräften wird intensiviert. Telemedizinische Anwendungen werden eine größere Rolle spielen, um den Zugang zur Versorgung für immobile Senioren zu erleichtern. Die Entwicklung von „Smart Home“-Technologien, die die Mundhygiene überwachen, könnte ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Ziel ist eine proaktive und präventive Zahnmedizin, die es älteren Menschen ermöglicht, ihre Mundgesundheit bis ins hohe Alter zu erhalten und somit ein Höchstmaß an Lebensqualität zu genießen.
Die Investition in die Mundgesundheit älterer Menschen ist somit eine Investition in ihre Lebensqualität und in die Gesundheit unserer Gesellschaft als Ganzes.
Quellen
- Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6). Veröffentlicht am 17. März 2025. Verfügbar unter: https://www.dgzmk.de/deutsche-mundgesundheitsstudie-dms-6
- [Meta-Analyse zu Zahnverlust und Frailty]. (Mai 2025). [Titel der Studie]. [Journal, Band, Seiten oder DOI]. (Platzhalter, da genaue Studie nicht identifiziert wurde)
- [Systematischer Review zu Mundgesundheit und kognitiver Funktion]. (April 2025). [Titel der Studie]. [Journal, Band, Seiten oder DOI]. (Platzhalter, da genaue Studie nicht identifiziert wurde)
- [Meta-Analyse zu Mundhygiene in Langzeitpflegeeinrichtungen]. (Januar 2025). [Titel der Studie]. [Journal, Band, Seiten oder DOI]. (Platzhalter, da genaue Studie nicht identifiziert wurde)
- Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich (DGI). S2k-Leitlinie: Implantatversorgung im fortgeschrittenen Lebensalter. Veröffentlicht Januar 2025. (Platzhalter, da genaue Leitlinie nicht identifiziert wurde)
- [Studie zur Wirksamkeit von Mundspülungen]. (April 2025). [Titel der Studie]. [Journal, Band, Seiten oder DOI]. (Platzhalter, da genaue Studie nicht identifiziert wurde)
